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POST AUS STAMMHEIM

1984 - Wofür Kriege da sind, 16.10.2022

POST AUS STAMMHEIM

1984 - Wofür Kriege da sind, 16.10.2022

Liebe Querdenker!

Gestern habe ich im Radio einen O-Ton von Robert Habeck (Grüne) gehört: "Die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine rettet Leben." Ich habe noch nie von Kriegswaffen gehört, die dazu gebaut wurden, Leben zu retten. Aber so ist das in dieser Zeit, in der viele Dinge verdreht werden und man sich nur noch verwundert die Augen reiben kann. Ich habe zudem gelernt, dass es jetzt gute Waffenlieferungen ("Ukraine") und böse Waffenlieferungen ("Saudi Arabien") gibt. Eigentlich zum Totlachen, wenn es nicht so traurig wäre.

Die Partei, die aus der Anti-AKW-Bewegung und der Friedensbewegung entstanden ist, lässt jetzt AKWs länger laufen (demnächst auch neue bauen?) und macht Deutschland zur Kriegspartei. Sie hat sich damit endgültig ihrer Wurzeln entledigt und ist nur noch eine weitere, von Lobbyisten gekaperte Struktur. Die gute Nachricht ist aus meiner Sicht, dass die Menschen an der Basis sich nicht geändert haben und nun in lokalen Gruppen an Alternativen arbeiten. Und das ist großartig!

Ich nutze die Zeit, um Bücher zu lesen, für die ich nie Zeit hatte. Letzte Woche war das "1984" von George Orwell. Er schreibt über den "Sinn" von Kriegen:

"Aber es war auch klar, dass ein allgemein wachsender Wohlstand das Bestehen einer hierarchisch geordneten Gesellschaft bedrohte, ja tatsächlich in gewisser Weise ihre Auflösung bedeutete. In einer Welt, in der jedermann nur wenige Stunden arbeiten musste, in der jeder genug zu Essen hatte, in einem Haus mit Badezimmer und Kühlschrank wohnte, ein Auto oder sogar ein Flugzeug besaß, in einer solchen Welt wäre die augenfälligste und vielleicht wichtigste Form der Ungleichheit bereits verschwunden. Wurde dieser Wohlstand erst einmal Allgemeingut, so bedeutete er keine Vorzugsstellung mehr. Es war zweifellos möglich, sich eine Gesellschaftsordnung vorzustellen, in der Wohlstand im Sinne von persönlichem Besitz und Luxusartikeln gleichmäßig verteilt war, während die Macht in den Händen einer kleinen priviligierten Schicht lag. Aber in der Praxis würde eine solche Gesellschaftsordnung nicht lange Bestand haben. Denn sobald alle gleichermaßen Muße und Sicherheit genossen, würde die große Masse der Menschen, die normalerweise durch Arbeit abgestumpft war, sich heranbilden und selbständig denken lernen. Und war es erst einmal soweit, so würden sie früher oder später dahinterkommen, dass die privilegierte Minderheit keine Funktion hatte, und würden sie beseitigen. Auf lange Sicht war daher eine hierarchisch geordnete Gesellschaft nur auf einer Grundlage von Armut und Unbildung möglich." (S. 197/198)

Ich verstehe nun auch, warum große Teile der deutschen Produktion ins europäische Ausland verschenkt werden. Wer mehr dazu wissen möchte, informiert sich am besten zum Thema "Target2-Salden". Der Wohlstand in Deutschland durfte nicht weiter steigen, weil sonst die Menschen zu unabhängig werden.

Orwell schreibt weiter: "Das Problem bestand darin, die Räder der Industrie sich weiter drehen zu lassen, ohne den wirklichen Wohlstand der Welt zu erhöhen. Verbrauchsgüter mussten zwar produziert, durften aber nicht unter die Leute gebracht werden. Und in der Praxis war der einzige Weg, dieses Ziel zu erreichen, eine immerwährende Kriegsführung. Die Hauptwirkung des Krieges ist die Zerstörung, nicht notwendigerweise von Menschenleben, sondern von Erzeugnissen menschlicher Arbeit. Der Krieg ist ein Mittel, um Materialein, die sonst dazuu benützt werden könnten, die Massen zu bequem und damit auf lange Sicht zu intelligent zu machen, in Stücke zu sprengen, in der Stratosphäre zu verpulvern oder in die Tiefe des Meeres zu versenken. Sogar wenn nicht wirklich Kriegswaffen zerstört werden, so ist ihre Fabrikation doch ein bequemer Weg, Arbeitskraft [Anm.: und Ressourcen] zu verbrauchen, ohne etwas zu erzeugen, was konsumiert werden kann." (S. 199)

Im Moment lese ich in der Zeitung, dass im Winter 25% der Bevölkerung in Deutschland am Existenzminimum leben wird, aufgrund der Energiepreise und Inflation. Diese Menschen sind natürlich viel zu sehr mit ihrer eigenen Existenz beschäftigt, als dass sie für größere Veränderungen eintreten können und möchten. Zusätzlich schwächt dies auch die finanzielle Kraft der Demokratiebewegung, so dass es schwieriger werden dürfte, große Demonstrationen zu finanzieren. Auf der anderen Seite haben wir viele mittelständische Unternehmer in der Bewegung, die verstanden haben, dass der Mittelstand der große Verlierer dieser Transformation ("4. industrielle Revolution") sein wird, wenn er sich nicht wehrt. Auch in der Mobilisierung stehen wir durch die Benzin-/ Diesel-Preise vor Herausforderungen. Ich erinnere mich noch gerne an den August 2020, in dem der Preis für Diesel unter einem (1) Euro lag.

Es bleibt daher spannend, wie es im Winter und im nächsten Jahr weitergeht. Ich erhalte viele tolle Projektberichte und mein Herz springt vor Freude, wenn ich sie lese. Es entstehen so viele Dinge, die auch nicht mehr verschwinden werden.

Eine schöne Zuschrift möchte ich Euch nicht vorenthalten: "Loslassen und wachsen, das ist es, was wir getan und erfahren haben. Es ist ein wunderbarer Weg, denn er löst von außen aufgedrückte Fesseln. Doch wie oft haben diese gar kein Schloss. Man muss sich nur trauen, diese abzulegen:" (Anja)

Mir geht es weiterhin gut. Beim Kreuzworträtseln ist mir aufgefallen, dass das Wort "GIER" in "Re-GIER-ung" enthalten ist. Was für ein "Zufall" :-)

Ich nutze die Zeit intensiv und freue mich, bald wieder bei Euch zu sein. Was ich definitiv gelernt habe, ist Ängsten gar nicht erst Raum einzuräumen. Das ist sicher eine Eigenschaft, die mir in der Zukunft noch helfen wird.


In tiefer Verbundenheit

Euer Michael

P.S. Alle von mir veröffentlichten Briefe sind ausdrücklich zum Abdruck freigegeben. Wer sie veröffentlichen möchte, worüber ich mich sehr freue, kann dies ohne weitere Freigabe tun.


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