Bitcoin, Ballweg und die Wahrheit – Was wirklich hinter dem Artikel der Stuttgarter Zeitung steckt
Stuttgart, 12. Juli 2025 – Die Stuttgarter Zeitung berichtet über das Kryptovermögen von Michael Ballweg – mit viel Spekulation, aber wenig juristischer Substanz. Was wirklich dahintersteckt, klären wir hier: faktenbasiert und aus Sicht der Verteidigung.
Die Anfrage der Stuttgarter Zeitung:
- Gerne würde ich auf das im Prozess angesprochene Kryptovermögen zurückkommen. Um welche Summe handelt es sich? Was bedeutet das kursbereinigt? Inwiefern ist es querdenken-Geld bzw. Privatvermögen, also wo stammt es her? halten Sie es für möglich, es im Bereich einer Einigung (zum Teil) einzubringen? Warum?
- Außerdem wollte ich noch einmal nachfragen: bei dem gesperrten Kryptokonto geht es also insgesamt um damals 55.000 Euro? Weil die Staatsanwaltschaft von einer Summe im 100.000-er Bereich geredet hatte und meint, da sei womöglich auch privates Geld dabei. Können Sie das noch einmal aus Ihrer Sicht präzisieren? Das würde mir helfen.
- Und was ich noch gerne wissen würde: Wieso wurden die Überweisungen an crypto.com in 55 Einzeltransaktionen zu je 1000 Euro getätigt und wieso hat Herr Ballweg überhaupt Geld bei Krypto angelegt?

Was berichtet wurde – und was verschwiegen blieb
Im Artikel von Herrn Wein geht es um die Frage, warum Michael Ballweg im Jahr 2021 Geld in Kryptowährungen angelegt hat. Die Rede ist von einem „hochspekulativen Investment“ und einem möglichen „warmen Geldregen“, sollte das Verfahren eingestellt werden. Auch von einer möglichen Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage (§ 153a StPO) ist die Rede – ohne Hinweis darauf, dass dies ein Schuldeingeständnis voraussetzt und deshalb von Ballweg abgelehnt wird.
Was im Artikel jedoch fehlt: die juristische Bewertung der zentralen Vorwürfe – und die Einschätzung des Gerichts selbst.
Fakt 1: Keine Spur von Betrug – das Gericht sieht keinen Vorsatz
Im Artikel wird suggeriert, Michael Ballweg habe Gelder in Bitcoin angelegt, um sich persönlich zu bereichern. Doch das Landgericht Stuttgart hat im Rechtsgespräch vom 12. März 2025 klar gemacht: Für eine Verurteilung wegen Betrug fehlt jeglicher Beweis.
„Der Verwendungszweck ‚QD711‘ spricht nach dem ersten Anschein gegen eine zweckwidrige Verwendung.“ – Landgericht Stuttgart
Auch bei den übrigen Vorwürfen sieht das Gericht keine belastbaren Anhaltspunkte für eine absichtliche Zweckentfremdung von Geldern – weder bei Überweisungen, noch bei Bargeld, Stiftungsgeldern oder Bitcoin.
Fakt 2: Das Kryptovermögen ist belegt – aber kein ‚Goldschatz‘
Die Stuttgarter Zeitung spricht von einem möglichen „warmen Geldregen“, sollte das Kryptovermögen freigegeben werden. Tatsächlich geht es um 55.000 €, die im Jahr 2021 in 55 dokumentierten Einzelschritten zu je 1.000 € an crypto.com überwiesen wurden. Diese Summe ist Gegenstand der Anklage – und exakt dokumentiert.
Der Rest ist Spekulation: Weder ist das Kryptokonto zugänglich, noch wurde ein höherer Betrag belegt. Außerdem ist die steuerliche Bilanz eindeutig:
Michael Ballweg hatte in den Jahren 2020 und 2021 Verluste in Verbindung mit QUERDENKEN von über 80.000 €.
Diese Zahlen sind von einer unabhängigen Steuerberatungsgesellschaft bestätigt und dokumentiert – sie stehen im Widerspruch zur These einer privaten Bereicherung. Von einem privaten Vermögenszuwachs kann also keine Rede sein.
Fakt 3: Die Staatsanwaltschaft schlug selbst Zweckentfremdung vor
Ein besonders absurder Moment blieb im Artikel ohne Einordnung: Am 40. Verhandlungstag schlug die Staatsanwaltschaft vor, Michael Ballweg solle zur Deckung seines Lebensunterhalts auf angebliche Bitcoin-Bestände von QUERDENKEN zugreifen – also auf genau jene Mittel, deren Zweckentfremdung sie ihm zuvor unterstellt hatte.
Diese Widersprüchlichkeit kommentierte Michael Ballweg so:
„Ich stehe vor Gericht, weil mir vorgeworfen wird, Mittel von QUERDENKEN zweckentfremdet zu haben – und nun schlägt die Staatsanwaltschaft vor, genau das zu tun?“
Dieser Satz wurde im Artikel zitiert – aber aus dem Zusammenhang gerissen. Denn Ballweg bezog sich nicht auf sein Kryptovermögen, sondern auf den Vorschlag der Staatsanwaltschaft selbst, den sie öffentlich im Gerichtssaal unterbreitet hatte – und der selbst dem Gericht als widersprüchlich erschien.
Fakt 4: Ballweg lehnt Deals ab – er fordert vollständige Rehabilitierung
Im Raum stand eine Verfahrenseinstellung gegen Geldauflage (§ 153a StPO). Das lehnt Michael Ballweg ab – aus einem einfachen Grund: Wer die Vorwürfe für unbegründet hält, gibt keine Schuld zu – auch nicht indirekt durch eine Zahlung. Das Ziel ist nicht ein schnelles Ende, sondern die vollständige Rehabilitierung nach rechtsstaatlichen Maßstäben.
Stattdessen fordert er eine Einstellung nach § 153 StPO – ohne Auflagen, aber mit vollständiger Rehabilitierung. Eine solche Einstellung wäre rechtlich möglich und käme einem Freispruch gleich, wenn das Gericht von einer „geringen Schuld“ ausgeht. Genau dafür spricht vieles, auch nach 41 Verhandlungstagen.
„Es geht um Gerechtigkeit. Nicht um Deals. Und nicht um Geld
Fazit: Der Artikel lenkt ab – der Prozess braucht Aufklärung, keine Spekulation
Die entscheidende Frage lautet nicht: „Warum Bitcoin?“ Sondern: Ob überhaupt ein strafbares Verhalten vorliegt.
Das Gericht sagt bisher: Nein – kein Vorsatz, keine Bereicherung, kein Betrug. Die Staatsanwaltschaft? Zögert mit der Einstellung – und widerspricht sich dabei selbst.
Die Fragen der Stuttgarter Zeitung und die Antworten des Verteidigerteams im Originaltext
Die Redaktion der Stuttgarter Zeitung hat uns vor Veröffentlichung des Artikels mehrere Fragen gestellt. Hier dokumentieren wir die Antworten des Verteidigerteams in voller Länge – für maximale Transparenz.
Sehr geehrter Herr Wein,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Gerne beantworten wir Ihre Fragen zum Thema bitcoin im Verfahren gegen Michael Ballweg:
1. Zur genannten Summe und Herkunft
Die Staatsanwaltschaft wirft in ihrer Anklageschrift vor, dass Michael Ballweg zwischen dem 3. Mai und dem 21. September 2021 in 55 Einzeltransaktionen jeweils 1.000 Euro mit dem Verwendungszweck „QD711-[fortlaufende Nummer]“ auf ein Konto bei Crypto.com überwiesen habe – insgesamt 55.000 Euro. Die Überweisungen erfolgten vom Privatkonto Michael Ballwegs, das er für QUERDENKEN-711 eingerichtet hatte (Kontonummer endet auf -13). Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet, Ballweg habe dieses Geld privat verwendet.
Zusätzlich wird in der mündlichen Verhandlung thematisiert, dass weitere Transaktionen mit dem Betreff „QD711-Umbuchung“ zum Kauf von Bitcoin verwendet worden sein sollen. Diese Transaktionen sind in der Anklageschrift allerdings nicht separat ausgewiesen. Aus rechtlichen Gründen müssen wir Sie daher für Detailfragen an die Staatsanwaltschaft Stuttgart verweisen – wir dürfen aus den Ermittlungsakten nicht zitieren.
Im Rahmen des 34. Verhandlungstags (siehe Pressemitteilung vom 23. April 2025) wurde deutlich: Es konnten keine zweckwidrige Verwendungen nachgewiesen werden.
Im Verfahren wurde zudem festgestellt, dass es zwischen Michael Ballweg und QUERDENKEN-711 keine getrennten Vermögensmassen gibt. Das Gericht wird klären, ob die fraglichen Bitcoin-Käufe Querdenken zuzuordnen sind oder ob Michael Ballweg darüber frei verfügen kann.
Der Vorschlag von Staatsanwältin Dr. Franziska Gräfe im Rahmen des 40. Verhandlungstags, Ballweg solle zur Sicherung seines Lebensunterhalts auf „vermeintliche Bitcoin-Bestände von QUERDENKEN“ zurückgreifen, wurde von Herrn Ballweg kommentiert:
„Ich stehe vor Gericht, weil mir vorgeworfen wird, Mittel von QUERDENKEN zweckentfremdet zu haben – und nun schlägt die Staatsanwaltschaft vor, genau das zu tun?“
2. Zur Einordnung der Mittel
Die Bezeichnung „QD711-[fortlaufende Nummer]“ diente nachweislich der Dokumentation, dass die Überweisungen für QUERDENKEN-711 getätigt wurden. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, diese Gelder seien privat verwendet worden, läuft ins Leere.
3. Einstellung nach § 153a StPO
Im Prozess war ja vonseiten der Staatsanwaltschaft von einer Verfahrenseinstellung unter Auflagen die Rede
Michael Ballweg hat stets deutlich gemacht, dass er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe für unbegründet hält. Zugleich steht für ihn aber auch die Herstellung von Rechtssicherheit im Vordergrund – insbesondere nach drei Jahren massiver Einschränkungen und Belastungen.
Eine Einstellung nach § 153 StPO – verbunden mit einer vollständigen Schadenswiedergutmachung durch die Behörden – könnte aus seiner Sicht eine akzeptable Lösung darstellen. Eine solche Einstellung bedeutet ausdrücklich kein Schuldeingeständnis, sondern ist Ausdruck einer pragmatischen Lösung, um weiteren Schaden von allen Beteiligten abzuwenden.
Eine Einstellung nach § 153a StPO mit Auflagen hingegen kommt für Herrn Ballweg nicht in Frage.
Die Verteidigung verfolgt parallel weiterhin aktiv die vollständige Aufklärung im Verfahren: Auch wenn eine Einstellung nach § 153 StPO eine pragmatische Lösung darstellen würde, sollen die entlastenden Fakten im Verfahren weiter öffentlich dargelegt werden – mit dem Ziel einer rechtlich und politisch klaren Bewertung.
Rechtsanwalt Gregor Samimi erklärte dazu am 40. Verhandlungstag:
„Zu einer Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld ist die Staatsanwaltschaft nach wie vor nicht bereit. Wir haben diesbezüglich heute nochmal einen Vorstoß gewagt und betont, dass es sachdienlich wäre, das Verfahren einzustellen. Dem wollte die Staatsanwaltschaft aber nicht beitreten. Der Finanzbeamte, der heute aussagte, konnte sich in weiten Teilen nicht mehr an den Sachverhalt erinnern. Er wusste weder, wer ihn bei der Erstellung des Prüfberichts unterstützt hat, noch ob Vorgesetzte mitgezeichnet haben.“
Die Strafprozessordnung sieht ausdrücklich die Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung nach § 153 StPO bei geringer Schuld vor – ohne Schuldfeststellung, aber mit dem Vorteil der sofortigen Rechtskraft, etwa im Hinblick auf Rehabilitierung, Vermögensfreigabe und Schadensersatzansprüche.
4. Bei dem gesperrten Kryptokonto geht es also insgesamt um damals 55.000 Euro? Weil die Staatsanwaltschaft von einer Summe im 100.000-er Bereich geredet hatte und meint, da sei womöglich auch privates Geld dabei. Können Sie das noch einmal aus Ihrer Sicht präzisieren? Das würde mir helfen.
Nach Kenntnis der Verteidigung wurden im Jahr 2021 insgesamt 55.000 Euro in 55 Einzelüberweisungen à 1.000 Euro von einem Privatkonto Michael Ballwegs mit dem Verwendungszweck „QD711-[fortlaufende Nummer]“ auf ein Konto bei Crypto.com überwiesen. Dieses Konto ist derzeit gesperrt.
Diese 55.000 Euro sind auch der einzige Betrag, der in der Anklageschrift konkret benannt und mit der Kryptowährungs-Thematik in Verbindung gebracht wird.
Die von der Staatsanwaltschaft im Raum gestellte höhere Summe im sechsstelligen Bereich basiert aus unserer Sicht auf Spekulationen über weitere Transaktionen, die jedoch nicht belegbar sind und nicht Gegenstand der Anklageschrift sind. Auch im Verfahren konnten keine zweckwidrigen Verwendungen nachgewiesen werden.
Für weitergehende Angaben zu etwaigen Ermittlungsansätzen verweisen wir aus rechtlichen Gründen an die Staatsanwaltschaft.
Bewertung durch das Landgericht Stuttgart (Nicht-Eröffnungsbeschluss vom 06.10.2023)
Das Landgericht kam zu dem Schluss:
- Die Transaktionen mit dem Vermerk „QD711“ sprechen nicht für eine private Verwendung
- Es gibt keine belastbare Grundlage für den Vorwurf der Zweckentfremdung
- Der Umstand, dass Ballweg seine Wallet-Zugangsdaten nicht herausgab, ist zulässig und kehrt nicht die Beweislast um
- Die Verwendung von Kryptowährungen ist nicht an sich unzulässig, solange keine andere Verwendung nachgewiesen ist
5. Und was ich noch gerne wissen würde: Wieso wurden die Überweisungen an crypto.com in 55 Einzeltransaktionen zu je 1000 Euro getätigt und wieso hat Herr Ballweg überhaupt Geld bei Krypto angelegt?
Michael Ballweg macht von seinem Recht Gebrauch, sich nicht zur Sache einzulassen. Das bedeutet: Er äußert sich nicht zu einzelnen Vorwürfen oder Beweggründen – auch nicht zu den Hintergründen der Überweisungen oder etwaigen Anlageentscheidungen. Dies ist Ausdruck der verfassungsrechtlich geschützten Verfahrensstrategie einer schweigenden Verteidigung.
Gleichzeitig gilt: Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die von ihr behaupteten Vorwürfe zu beweisen – nicht Aufgabe des Angeklagten, seine Unschuld zu belegen. Daran hat sich auch nach 40 Verhandlungstagen nichts geändert.
Zu den von Ihnen genannten 55.000 Euro verweisen wir auf die Anklageschrift. Darüber hinausgehende Beträge oder Behauptungen zur Herkunft des Geldes sind nicht belegt und müssen – sofern von der Staatsanwaltschaft behauptet – auch von dieser bewiesen werden. Bislang liegt ein solcher Nachweis nicht vor.
💡 Hinweis: Im gesamten Verfahren geht es rechtlich nicht um „Spenden“, sondern um Schenkungen. Das ist ein wichtiger Unterschied: Schenkungen müssen nicht „zweckgebunden“ verwendet werden – es sei denn, der Schenker hat dies ausdrücklich verlangt.
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